Einige Tage zuvor hatte ich meinen Sachkundetest bestanden und die schriftliche Bestätigung lag bereits in der Post. Der Probetag war erfolgreich und die zahlreichen Besuche im Tierheim, um Chico für 30-45 Minuten zum Spaziergang abzuholen, haben allen Beteiligten sehr deutlich gezeigt, wie ernst es uns mit dem Kleinen ist. Also wurde mit dem Tierheim besprochen, dass die Mitarbeiter Chico für die Kastration zum Tierarzt bringen und wir ihn dort mittags abholen. Damit ist das Tierheim der Böse und wir sind die Guten, die ihn „retten“. Zwischen dem Tierheim und uns wurde ein Pflegestellen-Vertrag geschlossen, damit Chico bei uns bleiben kann, bis das Veterinäramt unseren Antrag bewilligt.
Zur vereinbarten Zeit kamen wir in Engelskirchen an, genau pünktlich um ein Häuflein Elend zu sehen, das auf einem warmen Luftkissen aus dem OP getragen wurde. Der Anblick war wirklich hart. Wir kannten Chico als Hektiker mit unbändiger Kraft und Energie, aber aktuell lag er mit Tubus in der Schnauze, herunterhängender Zunge und Zugang an der Pfote ganz flach auf der Matte. Die einzige Bewegung war das Heben und Senken der Bauchdecke beim Atmen. Die Aufwach-Spritze zeigte nach und nach ihre Wirkung und Chico wurde ein wenig aktiver. Die Augen waren noch immer geschlossen, aber Nase und Ohren schienen schon zu funktionieren, denn als er uns schließlich wahr nahm konnte er den Schwanz nicht mehr still halten und versuchte, unter Aufbringung der gesamten Kraftreserven, so viel Körperkontakt wie nur möglich zu bekommen. Gemeinsam mit der Tierärztin zogen wir Chico noch einen Body an, damit er nicht an der frischen Wunde leckt. Die Halskrause wollten wir ihm ersparen, damit würde er sowieso nur überall gegen laufen.
Nachdem Chico sich aufgerappelt hatte, einige Zeit durch den Wartebereich getorkelt war und endlich einigermaßen sicher stand, konnten wir ihm sein eigenes Halsband, sein eigenes Geschirr und seine eigene Leine anziehen. Auf die Maulschlaufe haben wir im Auto verzichtet, damit er ungehindert hecheln kann. Anschließend haben wir ihn ins Auto getragen und sind sichtlich erleichtert, dass die OP gut verlaufen ist und Chico nicht mehr bemitleidenswert aussah, zu Dritt nach Hause gefahren. Damit ich ihn vernünftig halten konnte, haben wir auf den Transport im Kofferraum verzichtet und saßen stattdessen gemeinsam auf der Rückbank. Die Rückfahrt verlief völlig unproblematisch, Chico konnte an mich gekuschelt dösen.
Die Tierärztin hatte extra darauf hin gewiesen, dass Chico möglichst wenig toben und bloß keine Treppen steigen soll, also wurde Chico weiterhin getragen. Für den restlichen Tag haben wir es uns auf dem Hochflor-Teppich gemütlich gemacht, haben dort gegessen, getrunken und gekuschelt. Das ging zwar ordentlich in den Rücken, aber für Chico war es das Beste. Nachmittags, als die Betäubung langsam nachließ und er begann zu zittern und zu weinen, haben wir ihn in eine Wolldecke gepackt und gekrabbelt. Spazieren gehen war für heute gestrichen, auch wenn Chico zum Abend hin deutlich munterer wurde und sogar wieder Interesse am Spielzeug zeigte. Wir haben uns damit begnügt, ihn Treppen runter und rauf zu tragen und kurz an die Wiese zu gehen.
Die erste Nacht, vor der wir ein wenig Sorge hatten, verlief erstaunlich unspektakulär. Wir konnten feststellen, dass Pitbulls lauter schnarchen können als erwachsene Menschen, aber davon abgesehen haben wir alle genügend Schlaf bekommen, um für das Wochenende fit zu werden.