Eine der grundlegenden Voraussetzungen, damit wir Chico aufnehmen können, war die Erlaubnis, ihn mit ins Büro zu nehmen. Sicherlich gibt es Hunde, die 12 Stunden alleine zuhause bleiben können, aber für uns beide war klar, dass es dem Tier nicht gerecht wird und vermutlich auch nicht gut tut. Ein klärendes Gespräch mit der Chefin und den direkten Kollegen im Vorfeld gab aber grünes Licht, wenn auch mit Einschränkungen.
Wir wollten Chico nicht direkt mit neuen Eindrücken überfordern, darum haben wir uns langsam heran getastet.
Am Montag kamen Jenny und Chico mittags zu mir ins Büro, um nach einem gemeinsamen Spaziergang in den anliegenden Parks den Flur, die ersten Büroräume und natürlich die ersten Kollegen kennen zulernen. In den ersten Tagen hatte Chico auch noch seinen Body an und vermittelte damit eher den Eindruck eines Babys als eines Pitbulls. Der Body scheint ihn übrigens – zumindest tagsüber – überhaupt nicht gestört hat. Nachts hat er sich so sehr in seinem Körbchen gewälzt, dass der Body nach unten gerutscht ist und er ihn sich abstreifen konnte. Die Verwirrung am nächsten Morgen, wieso der Hund plötzlich komplett hellbraun und nicht blau ist, war anfangs groß. Wir haben einige Zeit gebraucht, bis wir seinen Trick durchschaut hatten.
Nach der Begrüßungsrunde hat Jenny ihn wieder mit nach Hause genommen, sehr zum Bedauern einiger Kolleginnen 🙂
Dienstags ist Chico morgens mit mir ins Büro gefahren und hat sich bis zur Mittagspause tapfer geschlagen. Als Jenny ihn dann abgeholt hat, war er allerdings ziemlich erschöpft. Man unterschätzt anscheinend, wie anstrengend der Büroalltag für einen Hund ist, der nur das Tierheim kennen gelernt hat und all das nicht gewohnt ist.
Mittwochs haben wir einen 3/4 Tag gewagt und auch den hat Chico super mit mir verbracht. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell er sich neuen Situationen anpasst. Für ihn scheint einfach nur wichtig, dass jemand da ist, den er kennt. Nach der kurzen Zeit von Vertrauen zu sprechen, wäre vermutlich übertrieben. Die OP Narbe verheilt sehr schön und er macht auch keine Anstalten, an der Wunde zu lecken, also konnte der Body zuhause bleiben. Die Mittagspause haben wir wieder draußen verbracht, im Park hat er sogar schon erste Bekannte. Ohne Hund würde ich die Pause mit Kollegen drinnen verbringen, aber dank Chico und seinen Bedürfnissen kommen wir viel vor die Tür.
Das erste Spielzeug ist bereits vernichtet, aber dem dünnen Tau hatten wir sowieso keine lange Lebensdauer zugesprochen. Dass Chico ein kleiner Zerstörer ist, wurde uns schon vom Tierheim berichtet. Besonders schlimm wird es, wenn er Langeweile bekommt .. aber das ist wohl bei jedem Kleinkind so 😀
Trotz oder vielleicht auch wegen seiner Macken haben ihn die Kollegen ins Herz geschlossen; die einen mehr, die anderen weniger 🙂 Die Vorurteile haben wir gar nicht erst aufkommen lassen, wir haben nicht groß verkündet, dass Chico ein Pitbull ist. Erstmal war er einfach nur ein 10 Monate alter Terrier aus dem Tierheim, der noch viel lernen muss. Ohne dieses Vorwissen konnten die Kollegen ihm unvoreingenommen begegnen, sein Wesen kennen und schätzen lernen und mussten nur die natürliche Hemmschwelle gegenüber unbekannten Hunden überwinden, ohne Kampfhund im Hinterkopf zu haben. Natürlich waren Kollegen dabei, die sich ein wenig mit Hunden auskennen und den „AmStaff-Bullterrier-Pitbull-Boxer“ *g* direkt erkannt haben, aber die wissen eben auch, was für einen Charakter diese Rassen haben.
Wann immer Chico im Flur auf Menschen trifft, heimst er Streicheleinheiten oder eine kurze Spielerunde ein, für die meisten Kollegen ist er ein willkommenes Ventil, um Stress abzubauen oder sich einfach ein paar Minuten auf etwas anderes zu konzentrieren.
Da Chico, wie die meisten Pitbulls und Bullterrier, es gerne kuschelig und weich unter dem Popo hat und ihm die orangene Decke der ersten Tage nicht gereicht hat, gab es ein kleines Upgrade. Wenn er schon so viel Zeit hier verbringt, dann soll er auch ein ordentliches Kissen haben 🙂
Der Büroalltag mit Hund ist – gerade in der Anfangszeit, wenn man ihn nicht alleine lassen kann – sicherlich eingeschränkt. Aber er gibt dem Alltag auch jeden Tag etwas frisches und neues, weil Mensch und Hund sich gemeinsam arrangieren müssen. Ich bin da ganz ehrlich, ich genieße auch die Tage, an denen Chico mit Jenny zuhause bleibt und ich mich in Ruhe um meine Dinge kümmern kann. An solchen Tagen allerdings fehlt er mir spätestens nachmittags und ich freue mich mich, ihn abends wieder zu sehen.